Lernen auf Distanz

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Die Möglichkeit Lernen auf Distanz anbieten zu können, ist von vielen Faktoren abhängig. Dabei gibt es nicht nur die Seite der Lehrenden, die im Idealfall einen Arbeitslaptop benötigen, allein des Datenschutzes wegen, sondern auch die Seite der Schule im Allgemeinen.



Hier stellt sich die Frage ob es überhaupt ein Konzept für Distanzlernen gibt, beziehungsweise ein Konzept, welche neue Unterrichtsmethoden wie Flipped Classroom überhaupt zulassen. Grundlage hierfür wäre ein LMS, ein Lernmanagementsystem. Hinter diesem sperrigen Wort versteckt sich aber nichts anderes als ein System, mit dem Inhalte erstellt, gespeichert, hochgeladen und geteilt werden können mit einer Datenbank, welche die Schule widerspiegelt, mit Klassengruppen, Fächern, Räumen zum Austausch und einer digitalen Bibliothek. Welche unterschiedlichen Lernmanagementsysteme es gibt, darauf gehe ich in einem anderen Blogbeitrag ein, jedoch nenne ich hier einmal das Moodle System (https://moodle.de), welche kostenfrei genutzt werden kann und jede Schule auf einem Schulserver selbst installieren und managen kann, um von externen Anbietern unabhängig sein zu können.



Darüber hinaus bietet dieses System auch viele Möglichkeiten selbst digitale Lerninhalte zu erstellen, unter anderem H5P, mit welchem ich in meinen Workshops zunehmend arbeite und auch von Lehrkräften gut angenommen wird.



Neben den zwei Seiten, der Lehrkraft und der Schule, gibt es noch eine dritte und eine vierte Seite, die wichtige Faktoren beim Lernen auf Distanz sind. Als dritten Punkt ist die klassische Infrastruktur genannt. Nachdem die Regierungen der letzten 25 Jahre den Breitbandausbau verschlafen haben (und das ist noch nett formuliert), ist Deutschland nach wie vor ein Flickenteppich. Es gibt Regionen, die sehr gut ausgebaut sind, aber es gibt Regionen die mehr als desolat sind. Sobald man Städte und Kleinstädte verlässt, verlässt einen auch häufig die gute Internetverbindung. Das spürt man vor allem in Berlin und Brandenburg, wo ich hauptberuflich tätig bin.

Der letzte Faktor, und dieser darf nicht unterschätzt werden, ist die Situation des Schülers oder der Schülerin. Gut gemeinte Verteilung von Endgeräten ist ein guter Start, bringt aber wenig, wenn auch in den Wohnungen der Schüler:innen die Internetverbindung schlecht ist, sich diese mit Eltern, Geschwistern und demzufolge mit vielen Endgeräten geteilt werden muss. Dies sollte immer mitberücksichtigt werden.



Auch die technische Ausstattung ist, sofern nicht Schulen selbst Endgeräte zur Verfügung stellen, meist auf ein Smartphone reduziert. Je nach Milieu gibt es Smartphones, aber eben keinen eigenen PC oder Laptop mit den der Schüler oder die Schülerin arbeiten kann. Das Gleiche gilt für Drucker, warum ich auch in meinen Workshops versuche den Lehrkräften zu zeigen, wie sie digital bearbeitbare Arbeitsblätter erstellen können (das geht mit Libre Office/ Open Office sehr leicht). Natürlich können auch mit Hilfe von LMS digitale Übungen und Arbeitsblätter erstellt werden um auch langfristig papierarm arbeiten und lernen zu können.



Nach der kleinen Einführung soll es jetzt aber um praktische Ansätze im Distanz lernen gehen. Dabei beschränke ich mich auf das Verständnis, dass Distanzlernen, wie es 2020/ 2021 war, mit vollständigen Schulschließungen, nicht stattfinden wird und der Unterricht rein online stattfand bzw. nicht stattfand. Mir geht es um die Möglichkeiten, welche die aktuelle Technik ermöglicht und so lernen auf Distanz möglich macht.

Für praktische Hinweise, welche sich auf einen Online-Unterricht fokussieren, empfehle ich das Paper vom Schulministerium NRW (https://www.schulministerium.nrw/system/files/media/document/file/impulspapier_lernen-auf-distanz.pdf). Diese gehen kurz auch folgende wichtige Tipps ein:

  • So viel Empathie und Beziehungsarbeit wie möglich, so viele Tools und Apps wie nötig.
  • So viel Vertrauen und Freiheit wie möglich, so viel Kontrolle und Struktur wie nötig.
  • So viel einfache Technik wie möglich, so viel neue Technik wie nötig.
  • So viel asynchrone Kommunikation wie möglich, so viel synchrone Kommunikation wie nötig.
  • So viel offene Projektarbeit wie möglich, so viele kleinschrittige Übungen wie nötig.
  • So viel Peer-Feedback wie möglich, so viel Feedback von Lehrenden wie nötig.

Denn auch diese 6 Punkte spielen beim Lernen auf Distanz (ohne die reine Online Variante) eine bedeutende Rolle in der Umsetzung dieses Lernkonzeptes.

Lernen auf Distanz bedeutet, neue Konzepte auszuprobieren. Erproben Sie Projektarbeit, Selbstgesteuertes Lernen, Flipped Classroom oder andere zahlreiche Konzepte, welche mit der richtigen Vorbereitung der digitalen Lerneinheiten und Inputs erarbeitet werden können. Diese neuen Konzepte und Unterrichtsmodule sollten daher so angelegt sein, dass sie mit Präsenz und auch ohne Präsenz funktionieren. Sie sollten in der Erarbeitungsphase asynchron sein und in der Präsentation und Frage- und Wiederholungsphase synchron sein. Dies kann im digitalen Raum oder in der Schule stattfinden.

E-Mail Adresse für die Schüler:innen
Meine Erfahrung mit Schüler:innen ab 12 zeigt, dass diese in der Regel eine E-Mail Adresse besitzen, aber nicht selten den Zugang nicht kennen und auch das Passwort nicht greifbar ist. Falls von der Schule keine E-Mail Adressen für die Schüler:innen erstellt werden können, empfehle ich, in Absprache mit den Eltern anonymisierte E-Mail Adressen über gmx.de oder web.de zu erstellen, die der reinen Kommunikation zwischen Lehrkraft und den Schüler:innen dient, sowie dem Austausch von Arbeitsmaterialien. Die Hürde hierbei stellt die Einstellung auf den Endgeräten der Schüler:innen dar. Je nach Endgerät empfehle ich bei PCs/ Laptops: Thunderbird als E-Mail Verwaltungssystem, bei Android: K-9 und bei Apple das interne E-Mail Programm. Dadurch umgehen die Schüler:innen zeitraubendes Einloggen und sehen die verschickten E-Mail eher.

Ein Lernmanagementsystem (Moodle, itslearning, iserv…)
Sollte kein Lernmanagementsystem vorhanden sein, eignen sich auch Onlinewerkzeuge wie Trello oder Padlet. Diese ermöglichen Strukturen, die den Kurssystemen in LMS sehr nahekommen. Trello und Padlet benötigen bei der Nutzung nur die Anmeldung durch die Lehrkraft. Schüler:innen können die Inhalte sehen, wenn die Lehrkraft das so eingestellt hat. Die bearbeiteten Aufgaben müssen dann aber über einen Messenger oder per Email hochgeladen und verschickt werden.

Messenger für den schnellen Austausch
Schoolfox als Messenger wäre hierbei eine gute Wahl. Besteht diese Möglichkeit nicht, wären Signal oder Threema eine gute Alternative. Auch hier ist es aber notwendig, in Absprache mit den Eltern, die Anwendungen auf den Endgeräten der Schüler:innen zu installieren.

Cloud
Eine Cloud zum Datenaustausch ist ebenso wichtig, vor allem, wenn es kein LMS in der Schule gibt. Kleine Dateien können auch bequem per E-Mail verschickt werden, bei größeren Dateien wäre die Einrichtung einer Nextcloud oder ownCloud sinnvoll. Dropbox oder WeTransfer dürfen nicht genutzt werden, auch wenn hier die Bedienung noch niedrigschwelliger ist.

Konferenztools
Sofern sie ein LMS an der Schule haben sind dort bestimmte Konferenztools integriert oder können integriert werden. Meistens handelt es sich dabei um BigBlueButton oder Jitsi. Diese Tools sind auch vom Bildungsserver Berlin-Brandenburg vorgegeben. In meiner beruflichen Praxis haben sich diese Programme auch als sehr sicher und einfach zu bedienen gezeigt. Mir ist bewusst, dass auf Grund der einfachen Bedienung und Zugänglichkeit auch Zoom oder WhatsApp genutzt wird.

Technische Geräte und Infrastruktur
Bei diesen beiden Punkten hat man als Lehrkraft wenig Einfluss. Daher ist es um so wichtiger mit den Schüler:innen im Austausch zu bleiben und ihnen die verschiedenen Werkzeuge immer wieder zu erklären. Nur so kann ein langfristiges Verinnerlichen ermöglicht werden.

Schulen, die durch den Digitalpakt oder andere Fördermittel und Strukturen Endgeräte für die Schüler:innen beschaffen konnten, sollten sich über mehrere Punkte im Klaren sein:

1. Wer billig kauft, kauft 2 mal. Meiner Erfahrung nach, eignen sich für den pädagogischen Kontext momentan iPads am besten. Diese bieten durch die Nutzer:innenfreundlichkeit, langlebigen Support, vielseitige und stabile Anwendungen und die gute Qualität den größtmöglichen pädagogischen Nutzen. Sie sind teurer, aber bei guter Pflege auch langlebiger als Android Tablets. Darüber hinaus bleibt die Bedienoberfläche über die Jahre identisch. Die große Variabilität bei Android Anbietern erschwert die Nutzung, da die Bedienbarkeit und die Oberfläche nicht identisch sind.

2. Bevor sie Tablets an Schüler:innen vergeben, kaufen Sie Gorillaglas (stabiles Glas für das Display) und eine stabile Hülle für die Geräte. Kinder und Jugendliche (aber auch Erwachsene) gehen nicht immer so sorgsam mit den Geräten um und ein Unfall passiert schnell

3. Auch wenn die IT-Abteilung der Schule oder des Senats gerne so einrichtet, dass die Schüler:innen mit den Geräten selbständig nicht agieren können, das heißt nichts installieren können, bestimmte Elemente wie Kamera deaktiviert werden etc. sollte hier eins gesagt sein: Medienkompetenz lernt man nicht, indem man alles verbietet. Ermöglichen Sie es den Schüler:innen Programme zu installieren und auch die interne Technik maximal zu nutzen. In der Praxis ist mir schon zu oft begegnet, dass die Tablets für die pädagogische Praxis nicht nutzbar waren, weil eben die Möglichkeiten, welche die Geräte bieten, nicht genutzt werden konnten (Stichwort: Kamera deaktiviert, kein PDF Reader, keine Kreativprogramme…)

Auf das W-Lan hat man wie gesagt kein Einfluss. Dort hilft lediglich der Verweis, dass es offene W-Lan Netze gibt (Freifunk) die genutzt werden können. W-Lan zu Hause ist in der Regel bei 99% vorhanden. Dort ist eher die Bandbreite des Problems. Dort hilft Aufklärung, damit Schüler:innen und Eltern verstehen wie die Internetgeschwindigkeit negativ beeinflusst wird.

Endgeräte für die Lehrkräfte
Auch wenn man davon ausgehen kann, dass die meisten Lehrkräfte einen eigenen PC oder Laptop besitzen, kann dauerhaft nicht die Lösung sein, dass diese ihre privaten Endgeräte nutzen. Daher sollte auch hier Abhilfe geschafft werden mit Arbeitslaptops um die größtmögliche Mobilität zu gewährleisten.

  • Strukturieren Sie die einzelnen Themenblöcke ähnlich wie Ihren Präsenzunterricht.
  • Geben Sie den Blöcken prägnante Namen, z. B. das Unterrichtsthema einer Einheit oder Stunde.
  • Prüfen Sie, wie Sie die Aktivitäten der Schülerinnen und Schüler digital abbilden können und wandeln Sie Schritt für Schritt die Arbeitsblätter in Aktivitäten um.
  • Achten Sie darauf, den Dateien sinnvolle Namen zu geben.
  • Der Dateiname sollte einen Hinweis auf den Inhalt bzw. die Arbeitsform geben.

Bei der Unterrichtsgestaltung

  • Überfordern sie die Schüler:innen nicht mit Aufgabenpaketen.
  • Beachten Sie, wie auch bei „normalen“ Hausaufgaben, das Zeitkontingent. Gerade bei selbstgesteuertem Lernen zu Hause kann mehr Zeit benötigt werden. Bedenken Sie auch immer, dass ihr Unterrichtsfach nicht das einzige Fach ist.
  • Gestalten Sie (wie in Präsenz auch), den Unterricht und die Lerneinheiten abwechslungsreich. Unterschiedliche Formen der Präsentationen wie ein selbst erstelltes Video/ ein Podcast/ Screencast sind für die Umsetzung neuer Lehrkonzepte essenziell. Darüber hinaus kann man bei einem Konzept wie den Flipped Classroom die Lehrinhalte gut auslagern, schließlich ändern sich diese nicht jedes Jahr. Das hat den Vorteil, dass Schüler:innen so in ihrem eigenen Tempo die Inputs lernen können.
  • Nutzen die die Möglichkeit der aktuellen Technik: lassen Sie Tutorials erstellen (natürlich mit dazugehöriger Erklärung, wie man Tutorials erstellt), fördern sie längere Projektarbeiten, wenn möglich interdisziplinär, zeigen Sie unterschiedliche Formen der Ergebnispräsentation auf, lassen Sie eine Folge der Lieblingsserie im Englischunterricht rezitieren. Die Möglichkeiten sind hier unendlich, sofern es didaktisch passt und der Lernerfolg nachweisbar ist.

Ein zurück zum „Normalen“ und zum „Alten“ wird und sollte es nicht mehr geben, zumindest nicht in der Schule, dafür hat sich die Technik und auch die Möglichkeiten in der Didaktik zu stark verändert.



Hier noch einmal aus Lehrkräftesicht. PS: Nicht alle Tipps würde ich als Medienpädagoge und mit meiner gesammelten Erfahrung so unterstreichen, wie zum Beispiel den Verzicht auch Onlinetreffen zu bestimmten Zeiten. Diese halte ich für den Austausch und die Tagesstruktur für sehr wichtig.

Weiterführende Links:

https://www.schulentwicklung.nrw.de/cms/distanzunterricht/lehren-und-lernen-in-distanz/handreichung5414/handreichung-zur-lernfoerderlichen-verknuepfung-von-praesenz-und-distanzunterricht.html

https://www.schulentwicklung.nrw.de/cms/distanzunterricht/lehren-und-lernen-in-distanz/index.html

https://www.schulministerium.nrw/unterricht-auf-distanz

https://www.schulministerium.nrw/impulse-fuer-das-lernen-auf-distanz

https://www.kmk.org/themen/bildung-in-der-digitalen-welt/distanzlernen.html

https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/online-lernen

Impulspapier des Ministeriums NRW zum Distanzlernen

iServ – Konzept – Lernen auf Distanz

Unterrichten auf Distanz – Baden Württemberg

Pädagogische Empfehlungen zum Lernen in Präsenz und Distanz – LISUM